06502 / 9369950 kontakt@katarina-barley.de

Der 1. Mai ist seit Jahrzehnten ein fester Termin in meinem Kalender. Wie hunderttausende Kolleginnen und Kollegen in Deutschland und Europa gehe ich am Tag der Arbeit normalerweise zu einer Demonstration oder Kundgebung. Am 1. Mai wird die tagtäglich gelebte Solidarität gefeiert, Ungleichheiten werden gemeinsam benannt und bekämpft. Während der Pandemie ist alles anders. Seit der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes 1949 wird es zum ersten Mal keine Demonstrationen auf den Straßen und keine Kundgebungen auf Marktplätzen geben. Stattdessen gibt es digitale Angebote des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften.

 

Nicht alle können in Europa von ihrem Lohn gut leben. Jeder sechste Arbeitnehmer in Europa bekommt weniger als zwei Drittel des mittleren Einkommens im jeweiligen Mitgliedsstaat. Aufgrund der unterschiedlichen Wirtschaftskraft der Mitgliedsstaaten wird es keinen europaweiten Mindestlohn in gleicher Höhe geben. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sprechen uns für länderspezifische, armutsfeste Mindestlöhne aus. Als Richtwert gelten 60 Prozent des mittleren Einkommens. In Deutschland würde der Mindestlohn damit auf 12 Euro steigen.

 

Die neue Kommission hat versprochen, Rechtssetzungen zu angemessenen Mindestlöhnen in den Mitgliedsstaaten durchzusetzen. Der zuständige Kommissar Nicolas Schmit aus unserem Nachbarland Luxemburg hat das Vorhaben im Januar auf den Weg gebracht. Für uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament ist entscheidend, dass die Kommission sowohl einen Vorschlag für einen europäischen Rahmen für angemessene Mindestlöhne macht, als auch Maßnahmen unternimmt, um die Tarifpolitik in den Mitgliedsstaaten zu stärken.

 

Die Pandemie bringt europaweit die Wirtschaft ins Wanken. Besonders in den südlichen Mitgliedsstaaten wie Spanien wurden viele Beschäftigte entlassen oder ihre Verträge wurden nicht verlängert. Hätte die Europäische Union unsere sozialdemokratische Idee einer Arbeitslosenrückversicherung bereits eingeführt, wären viele Mitgliedsstaaten besser gegen die Krise gerüstet. Die Idee ist, dass alle Mitgliedsstaaten entsprechend ihrer Wirtschaftsleistung in einen gemeinsamen Fonds einzahlen. In Krisenzeiten könnten die nationalen Regierungen dann Geld aus diesem Fonds leihen, falls ihre Arbeitslosenversicherungen den Zahlungen nicht mehr gewachsen sein sollten.

 

Das nun von der Kommission vorgeschlagene befristete Instrument SURE ist ein erster Schritt in diese Richtung. Zwischenzeitlich haben alle Mitgliedsstaaten Kurzarbeitsregelungen eingeführt. Mit bis zu 100 Milliarden Euro werden den Mitgliedsstaaten EU-Darlehen gewährt, um nationale Kurzarbeitsregelungen auszuweiten. Die Hilfen werden durch freiwillige Garantien der Mitgliedsstaaten abgesichert. Da SURE nur eine Notfallmaßnahme für den Zeitraum der Pandemie ist, werden wir die Kommission auffordern, den Vorschlag für eine europäische Arbeitslosenrückversicherung schnellstens zu erarbeiten.

 

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben uns schon immer für eine Aufwertung von Sozial- und Gesundheitsberufen stark gemacht. Davon profitieren vor allem Frauen. Die gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung, die wir aktuell für diese Berufe erleben, müssen auch zu höheren Löhnen und besseren Rahmenbedingungen führen. Der Schlüssel liegt hier in der Tarifpartnerschaft. Ein bundesweit geltender Tarifvertrag wäre der beste Weg, um deutliche Verbesserungen für die Beschäftigten in dieser Branche zu erreichen.