
In den letzten Wochen haben wir an verschiedenen EU-Außengrenzen erschreckende Entwicklungen mit gewalttätigen Übergriffen erlebt, zuletzt besonders an der griechisch-türkischen Grenze. Hinzu kommen zum Teil unsägliche Bedingungen, in denen Geflüchtete seit Jahren untergebracht sind. Dies gilt insbesondere für die unhaltbar überfüllten Lager auf den griechischen Inseln. In diesen verschlechtern sich die Umstände immer weiter, auch weil die anderen EU-Mitgliedstaaten Griechenland sträflich im Stich lassen. Diese Bedingungen könnten in der jetzigen Situation den perfekten Nährboden für eine Verbreitung des Coronavirus bieten.
Deshalb dränge ich darauf, dass die EU-Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission eine unverzügliche Evakuierung der Lager einleiten, angefangen mit besonders gefährdeten Menschen, wie Älteren oder Menschen mit Atemwegserkrankungen. Denn in den restlos überfüllten Hotspots, in denen tausende Menschen auf engstem Raum leben, kann man persönliche Kontakte nicht minimieren. Auch grundlegende Hygiene ist unmöglich, wenn sich über 1.000 Menschen ein Wasserhahn teilen und Seife und Desinfektionsmittel fehlen.
Ein großer Teil der Geflüchteten hat zudem keinen Zugang zum griechischen Gesundheitssystem und bekommt damit keine grundlegende medizinische Versorgung, die stattdessen NGOs notdürftig anbieten. Ohnehin besteht auf den Inseln nicht die nötige Infrastruktur um auch nur die lokale Bevölkerung ausreichend zu versorgen, geschweige denn zahlreiche weitere besonders gefährdeter Menschen. Ein Ausbruch des Coronavirus auf den Inseln hätte deshalb katastrophale Auswirkungen.
Anstatt die Bemühungen zur Umsiedlung nun aufgrund der Gesundheitslage zu verringern oder gar auszusetzen, ist es umso dringender, Menschen nicht alleine zu lassen und die Gefahr eines Ausbruchs zu minimieren. Den Geflüchteten, der überforderten lokalen Bevölkerung und Griechenland wäre am besten mit einem kurzfristigen Umsiedlungsprogramm geholfen, das das Land entlastet und Asylbewerber auf die Mitgliedstaaten verteilt. Die Initiative von einigen Mitgliedstaaten unbegleitete Minderjährige aufzunehmen, begrüße ich ausdrücklich, kann aber nur ein kleiner erster Schritt sein.
Ein weiterer Schritt wäre es, wenn die nationalen Regierungen endlich auf die aufnahmebereiten Städte und Gemeinden zugehen. Allein in Deutschland gibt es 140 Städte, die ihre Hilfe angeboten haben. Diese Hilfe umzusetzen muss ihnen unbürokratisch ermöglicht werden.
Sollten die Mitgliedsstaaten keine Einigung finden, Geflüchtete kurzfristig auf andere EU-Länder zu verteilen, müssen wir trotzdem zügig eine Lösung finden. Zum Beispiel wird gerade auch geprüft, ob die Geflüchtete nicht auf Hotels oder andere private Unterkünfte verteilt werden können, um die Ausbreitung des Virus zu begrenzen. Die Kommission wird dazu 25 Millionen Euro bereitstellen.
Auch die griechische Regierung muss zur Verbesserung der Situation beitragen. Anfangen sollte dies bei der sofortigen Wiedereinführung des Asylsystems, das Schutzsuchenden Zugang zu einem geregelten Verfahren garantiert. Ich erwarte, dass die Europäische Kommission dazu endlich Stellung bezieht und auf die Umsetzung von geltendem europäischem und internationalem Recht drängt. Stattdessen hat sich Kommissionspräsidentin von der Leyen bisher leider bei Griechenland als „Schild“ Europas bedankt. Das verurteile ich, denn solche Äußerungen rütteln an den Grundpfeilern unserer demokratischen Werte.
Am Donnerstag wird der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europäischen Parlaments zusammentreten. Dort wird auch über die unzumutbare Situation auf den griechischen Inseln diskutiert. Ich kann Ihnen versichern, dass ich mich für eine schnelle Lösung im Sinne der schutzsuchenden, gefährdeten Menschen weiterhin einsetze.