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Die Coronakrise macht auch vor den Verhandlungen der Europäischen Union mit dem Vereinigten Königreich keinen Halt. Derzeit sind persönliche Verhandlungen unmöglich und die Verantwortlichen auf beiden Seiten haben alle Hände voll zu tun mit der Bekämpfung der Krise. Die Gespräche wurden daher bis auf weiteres ausgesetzt. Der ohnehin schon straffe Zeitplan für einen endgültiges Loslösen des UK bis Ende des Jahres gerät damit noch weiter in Gefahr. Um dennoch zu einem vernünftigen Abkommen zu gelangen, muss die Übergangsfrist über 2020 hinaus verlängert werden.

Eigentlich sollten sich in der letzten Woche die Chefunterhändler des UK und der EU in London zur zweiten Runde der Gespräche über das Abkommen zur künftigen Beziehung zwischen der EU und dem UK treffen. Vieles stand auf der Agenda: Über Standards zum Schutz von ArbeitnehmerInnen,  über die Zusammenarbeit der Justiz- und Sicherheitsbehörden, bis hin zu Fischereirechten. All das muss neu verhandelt werden, denn beide Seiten streben ein umfassendes Abkommen an. Es muss zum einen den freien Handel garantieren, gleichzeitig aber noch viele weitere Bereiche abdecken. Die Europäische Union hat den Briten wiederholt klar gemacht: Die Briten erhalten nur uneingeschränkten Zugang zum Binnenmarkt, wenn sie gewisse Bedingungen erfüllen. Sie müssen im Gegenzug auch künftig die EU Standards einhalten, beispielsweise bei Produktsicherheit und zum Schutz vor Sozialdumping. Solche umfassenden Standards heißen in den Verhandlungen “level playing field” (zu deutsch „gleiche Bedingungen“), die den Rahmen für den freien Wettbewerb abstecken. Bislang lehnt das UK einen solchen einheitlichen Rahmen jedoch vehement ab. Gerade für uns als SozialdemokratInnen ist es von zentraler Bedeutung, dass vor unserer Haustür kein Dumpingparadies entsteht. Für uns ist klar: Ohne einheitliche soziale Bedingungen ist ein ungehinderter Marktzugang für die Briten nicht möglich.

Allerdings, selbst wenn nur ein abgespecktes Abkommen zustande kommen würde, ist der  aktuelle Zeitplan, realistischerweise nicht zu halten. Denn man muss bedenken, dass ein Abkommen – egal welcher Form – auf beiden Seiten des Kanals noch ratifiziert werden muss. Gerade in der EU dürften hier wohl auch die nationalen Parlamente zustimmen müssen. Damit das rechtzeitig vor Jahresende geschehen kann, müsste der Vertrag bis spätestens Oktober ausverhandelt sein. Das ist in der aktuellen Lage beim besten Willen nicht zu schaffen. Deshalb sollte der britische Premierminister Boris Johnson über seinen Schatten springen und bei der EU nach einer Verlängerung ersuchen. Nur so ließe sich frühzeitig die Gefahr eines Brexit ohne Abkommen für die Zukunft abwenden – den harten Brexit kann in der aktuellen Lage keiner gebrauchen, weder Briten noch Europäer.

Übrigens: Auch wir im Europäischen Parlament bekommen den Brexit zu spüren. Mit dem Austritt des UK Ende Januar verließen uns 73 britische KollegInnen, davon zehn aus unserer eigenen Fraktion. Für mich persönlich war das der traurigste Tag meiner bisherigen Zeit im Europäischen Parlament. Umso wichtiger ist es, dass wir die Beziehungen zu unseren britischen Freunden und pro-europäischen Bewegungen im UK weiter aufrechterhalten. Wir haben daher eine überfraktionelle EU-UK Freundschaftsgruppe im Parlament gegründet, in deren Vorstand ich berufen wurde. Ich werde hier weiter über unsere Aktivitäten informieren.